Spuren des Lichts
Die Arbeiten von Thomas D. Heere laden ihre Betrachter*innen dazu ein, sich in ihnen zu verlieren und durch die vielen verschiedenen Flächen und Farben wie in einen Sog in sie hineingezogen zu werden.
Doch die Arbeiten von Thomas D. Heere zeigen auch: Man darf nicht alles glauben, was man sieht. Ein Bild kann manipuliert werden, aber auch das Auge kann durch das Licht und die Farbe manipuliert sein. Als Betrachter*in ist man immer dazu aufgefordert, Gesehenes zu hinterfragen.
Kann Fotografie die Realität abbilden oder bietet sie nicht vielmehr die Möglichkeit, die Wirklichkeit zu verfremden und ist die Fotografie nicht auch ein Mittel, um die Poesie des Alltags sichtbar werden zu lassen?
Eine auf den ersten Blick bekannte Stadt - oder doch nicht? Im ersten Moment glaubt man die Skyline Frankfurts zu erkennen, doch etwas scheint nicht zu stimmen: Es tauchen Gebäude auf, die man so nicht der Skyline zuschreiben würde, Brücken, die so nicht gebaut wurden, eine Gabelung des Flusses, die so gar nicht existiert.
Zwar scheint alles vertraut, doch man kommt ins Grübeln. Die Bildtitel helfen nicht weiter, im Gegenteil: der Titel Skywalker lässt Laserschwerter im Bild suchen - und finden - und transportiert die Szenerie somit in eine fiktive Welt.
In seiner Arbeit Synergie hat sich Heere mit einer Lichtinstallation auseinandergesetzt und diese in seiner Fotografie so stark verfremdet, dass das eigentliche, ursprüngliche Motiv nicht mehr zu erkennen ist. Der Betrachter*in sind zwei Formen vorgesetzt, die ineinandergreifen und synergetisch miteinander verbunden sind.
Unter dem Einsatz der bewegten Kamera und unter Verwendung langer Belichtungszeiten, erscheint das Statische in neuen Perspektiven. Die veränderte Perspektive des ursprünglichen Bildes zieht seine Betrachter*in in das Bild. Es scheint als bewege sich das Objekt und ziehe in einen Strudel, wenn man versucht, den Spuren des Lichts zu folgen. Bewegung und Dynamik werden künstlerisch umgesetzt. Das einst Statische (nämlich die Skulptur) zeigt sich in neuen Perspektiven und Formen und eröffnen neue Räume.
Die Arbeit Shopping zeigt eine Aufnahme aus einer Einkaufs-Passage, welche im Zusammenspiel mit dem Licht, Räumliches entstehen lässt und eine Tiefe, die ihre Betrachter*in in das Bild zieht.
Die Lichter der Straßenlaternen werden zu Farbverläufen, die kaufwütige Menschenmassen verschmilzt mit ihnen zu imposanten Farbflächen. Auch hier werden die einstigen Striche zu Flächen und unterschiedliche Formen. Die Formen des Lichtes, die Spuren des Lichts, finden in der Mitte des Bildes zusammen.
Mit einer langen Belichtungszeit dreht Heere seine Kamera. Er wechselt von einem Weitwinkel auf den Zoomwinkel. Das passiert mal schneller, mal langsamer. Während dieses Vorgangs wird die Brennweite geändert. Linien werden zu Flächen. Das Licht wird zu räumlichen, architektonischen Formen. Es eröffnen sich neue Räume und Dimensionen. Welches Motiv die Fotografie zum Ursprung hatte, gerät in den Hintergrund. Die lange Belichtungszeit lässt die dynamische Abstraktion des Statischen in neuen Perspektiven erscheinen. Es baut sich eine eigene, eine ganz neue Architektur auf, die zu eigenen Gedanken und Assoziationen einlädt.
Das Spiel von Struktur und Licht setzt sich in der Arbeit Growing Love fort. Weiche Formen treffen auf harte und auch hier bleibt verwehrt, was das Ausgangsmotiv ist. Viel mehr als um die Erfassung des dargestellten Objekts, geht es um die neue Dimension durch die aufgezeigte Bewegung. Die Fotografie wird zu einem Gemälde aus zarten Pinselstrichen.
Die Arbeit Lagune entführt in fremde, exotische Welten, die nicht genau zu verorten sind, außer in der eigenen Phantasie.
Eine weitere Serie der ausgestellten Arbeiten führt ebenfalls in andere Welten und widmet sich den auf der gesamten Welt existierenden Kanaldeckeln: Europa, die Vereinigten Staaten, Afrika, Australien. An die 1.000 Objekte umfasst die Sammlung nachträglich bearbeiteter Kanaldeckel, die pop-art-ähnlich farblich neu interpretiert werden. Im Vordergrund steht das kreative Formenspektrum des Objekts: Sie können viereckig sein, sternenförmig, rund. Sie tragen Muster und Zeichen, manchmal auch den Namen der Stadt oder Mitmenschen, die als Schattenfiguren ihre eigene Spur in dem Bild hinterlassen haben.
Paul Klee: Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.
Die Arbeiten von Thomas Heere führen die Spuren des Lichts vor Augen. Durch das experimentell ausgerichtete Festhalten und Aufzeigen der Bewegung der Kamera entstehen neue Räume und fotografische Dimensionen, die das Augen nicht wahrnehmen kann.
Thomas Heere gibt nicht immer das Sichtbare wieder, sondern er macht sichtbar. Er macht das sichtbar, was jeden Tag gesehen, aber nicht weiter hinterfragt wird, weil es einfach da ist – Licht und Farbe – aber auch worüber tagtäglich in den Straßen gelaufen wird: die Kanaldeckel.
Die Arbeiten von Thomas Heere bieten einen Anlass dazu, Gesehenes zu befragen und unter neuen Perspektiven zu betrachten und können eine Anregung dazu sein, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.
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