Eric van Hove Atchilihtallah – Von der Transformation der Dinge
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Derzeit sind im Frankfurter Kunstverein Arbeiten des belgisch-algerischen Künstlers Eric van Hove, zu sehen. Van Hove wurde 1975 in Guelma geboren. Er wuchs in Kamerun auf, hat einen belgischen Pass, einen skandinavischen Vornamen und einen niederländischen Nachnamen. Seine Muttersprache ist französisch. Ein Mensch im Transit und zwischen verschiedenen unterschiedlichen Kulturen.
Eric van Hove setzt sich mit der Transformation ökonomischer Prozesse und der Dualität zwischen globaler Wirtschaft und lokaler Produktion sowie Handwerk und industrieller Fertigung auseinander. Dabei richtet er seinen Blick auf gesellschaftlichen Veränderungen im Spannungsfeld der Automatisierung. Welche Rolle spielt die lokale Produktion in einer globalisierten Wirtschaft? Welche Auswirkung hat die zunehmende industrielle Fertigung auf den Menschen und dessen handwerkliches Wissen?
Die präsentierten Objekte sind Produkte aus industrieller Massenfertigung, aber auch Objekte aus wertvollen Materialien, die unter dem Einsatz spezialisierter Kunsthandwerktechnik nachgebaut wurden: Alte Automotoren aus Zedernholz, Silber, Kupfer, Kuhknochen und Porzellan – alles gemeinsam mit einem Team von marokkanischen Handwerkern und Mechanikern oder traditionellen Kulturtechniken, die es so nur in Marokko gibt. Van Hove möchte so zeigen, dass marokkanische Kunsthandwerker stolz auf ihr Handwerk sein sollten. In Marokko gibt es nämlich rund drei Millionen Kunsthandwerker. Das sind 20 Prozent der arbeitenden Bevölkerung – die aber häufig nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen – außer Souvenir-Deko für Touristen herzustellen. Van Hove zeigt auch, dass traditionelle Handwerksfertigkeiten in keinem Widerspruch zu neuen Techniken stehen müssen. Viele seiner Objekte sind eine Verbindung von Tradition und industrielle Fertigung und neuer Technik.
Einer der Ausstellungsräume des Kunstvereins ist in eine Werkstatt verwandelt. Zusammen mit Mechanikern und Kunsthandwerkern aus Marokko integriert er dort sein Atelier aus Marrakesch. Dort arbeitet er gemeinsam mit seinem Team an einem aktuellen Projekt: einem Elektromotorrad, das mit Experten und Passionierten gebaut und stetig weiterentwickelt wird. Eine Einladung an die Besucher, aktiv am Arbeitsprozess teilzuhaben. Der Prototyp dieses Projektes, „Mahjouba I“, ist übrigens als Exponat in der Ausstellung zu sehen, dessen Name sich von dem arabischen Begriff Mahjoub ableitet und übersetzt „der Schleier, der das Heilige verdeckt“ bedeutet.
Ein Highlight der Ausstellung ist das Fahrzeug „Dorigin“ , ein Mercedes 240D, der aus unterschiedlichen Originalteilen wie ein Flickenteppich zusammengebaut und anschließend von Marrakesch nach Frankfurt gefahren wurde. Das einstige deutsche Fahrzeug ist zu einem marokkanischen Wagen geworden. Die rund 4.000 Kilometer weite Fahrt in Richtung Norden wurde als Teil der Ausstellung dokumentiert. Übrigens ist in Marokko ist Dorigine ein Lehnwort für Konsumartikel, die aus Europa nach Nordafrika importiert werden – und dementsprechend wertgeschätzt werden.
Für die Ausstellungsbesucher zunächst etwas befremdlich, da nur sehr schwierig auszusprechen, mag vielleicht der Titel der Ausstellung sein: Atchilihtallah.
Der Titel bezieht sich auf eine marokkanische Redewendung und übersetzt bedeutet: „Dies ist, was Gott uns gab!“ und drückt aus, sinnvoll und produktiv mit dem umzugehen, was man hat. Gleichzeitig kann die Redensart als eine Aufforderung verstanden werden, die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Fähigkeiten so schöpferisch und effizient einzusetzen wie es nur möglich ist.
>> Eine Ausstellung, die es sich zu besuchen lohnt. Allerdings steht man, wenn man sich nicht vorab etwas mehr mit Eric van Hove auseinandergesetzt hat, wie die Kuh vorm Berg und rätselt viel mehr, wie die Exponate, vor allem der alte Mercedes, in die Räume des Frankfurter Kunstvereins gekommen sind und weshalb Automotoren nachgebaut werden, die zwar ästhetisch ganz toll anzusehen sind, zum Teil doch gar nicht funktionieren... Die Konzeptkunst von Eric van Hove erscheint auf den ersten Blick rätselhaft – und genau um diese aufkommenden Fragen geht es dem Künstler. Er möchte zum Nachdenken anregen. Zum Nachdenken über die westliche Wirtschaft und Produktionen in Afrika und darüber wie Handwerk und industrielle Fertigungen zusammenhängen und sich beeinflussen. Eine rundum spannende Ausstellung, die das Thema Transit beleuchtet und einen kritischen Blick auf globale Wertschöpfungsketten wirft und sich mit den Möglichkeiten weltweiter Zusammenarbeit befasst. Van Hoves Arbeiten bleiben nicht abstrakt, sondern setzen diese in ein unternehmerisches Unterfangen um und zeigen auf, wie wichtig der Stellenwert von Wissenstransfer und Austausch ist und welche Bedeutung lokale Ökonomien innerhalb der globalen Wirtschaft spielen. Alte, ausrangierte Fahrzeuge, die auf den hiesigen Straßen nur noch selten zu sehen sind, aber in den frühen 70er Jahren sich großer Beliebtheit erfreuten, haben in Nordafrika einen anderen Stellenwert und sind ein Relikt des 20. Jahrhunderts, der deutsche Wertarbeit und Industrialisierung.
Eric van Hove - „Atchilihtallah - Von der Transformation der Dinge“ 11. November 2016 bis 12. Februar 2017 Frankfurter Kunstverein