Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo
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In welchem Verhältnis stehen Mann und Frau zueinander? Sind Mann und Frau gleichberechtigt? Sind Geschlechter ein soziales Konstrukt?
Und was ist eben typisch Mann und was ist typisch Frau?
Die Ausstellung „Geschlechterkampf. Franz Stuck bis Frida Kahlo“ versucht die kontroversen Ansichten von Geschlechtermodellen, Stereotypen und Idealbildern und die seit jeher spannungsbeladene Beziehung zwischen Mann und Frau und deren Darstellung in der Kunst zu veranschaulichen. Rollenbilder, Stereotypen, überzogene Charaktereigenschaften der Geschlechter, vor allem der Frauen werden von verschiedenen Künstlern dargestellt. Sie greifen dabei gängige Klischees auf und versuchen diese durch Strategien wie Ironie, Überzeichnung, Maskerade, Hybridisierung aufzubrechen.
Im 19. Jahrhundert sind Frauen Männern noch lange nicht gleichgestellt. Ihre Charaktereigenschaften, aber auch Anatomie, wird getrennt voneinander betrachtet. In der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnen Frauen sich zu emanzipieren. Sie füllen nach und während des Weltkrieges die Lücken auf dem Arbeitsmarkt und entwickeln so Selbstbewusstsein. Bald wird Frauen das Wahlrecht eingeräumt. Frauen drängen zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen – all dies sind gravierende Veränderungen des Geschlechterverhältnisses, die mit Argwohn gesehen werden. Gustav Adolf Mossa zeigt „Sie“ als Männermordendes Wesen. Ihre Opfer, alle samt Männer, befinden sich auf einem Leichenberg unter ihr. Das Frauenwesen blickt den Betrachter durch seine großen runden Augen direkt an. Das Gesicht, puppenhaft zart. Der Körper eindeutig weiblich, mit einem großem, wohlgeformten Busen – Männerphantasien.
Mordwaffen, wie Pistole, Dolch und die Giftkapsel, zieren ihre Halskette. Eine schwarze Katze bedeckt ihre Scham – ein Sinnbild ihrer weiblichen Sexualität. Wie ein Heiligenschein umgibt ihren Kopf auf goldenem Grund der Schriftzug: Hoc volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas (Das will ich so, so befehle ich’s. Als Grund genügt mein Wille).
Die Welt steht Kopf: die religiöse Ordnung gerät 1859 mit Darwins Evolutionstheorie „Über die Entstehung der Arten“ in Wanken. Darwin zufolge ist der Mensch das Resultat natürlicher Selektion. Der Mensch ist nicht von Gott erschaffen, sondern aus der Natur hervorgegangen. Die Kirche verliert an Deutungshoheit. Das Leben und Wirken biblischer Figuren, die einst in der Kunst thematisiert wurden, verlieren ihre Bedeutung. So beispielsweise Adam und Eva. Sie repräsentieren in der Kunst die Beziehung zwischen den Geschlechtern und die verschiedenen Rollenmodelle.
Franz von Stuck zeigt in seinem Gemälde „Adam und Eva“ die Frau in der Rolle der dämonischen Verehrerin. Ihre laszive Körperhaltung wird von der Schlange, die sich um sie windet, betont. Es ist Eva, die Adam den Apfel anbietet und er greift danach –von ihrem Körper sichtlich angezogen. Der Sündenfall wird auf die Frau reduziert.
Auch die Geschichte der Salomé aus den Evangelien von Markus und Matthäus erfährt im 19. Jahrhundert eine grundlegende Veränderung. Salomé wird zur femme fatale. Nicht nur sie, auch die Mythen um Pandora, Medusa, Sirenen, Eva, Judith, Delila werden verändert. Diese Frauen sind zwar stark, doch sie bringen Unheil. Sie sind verantwortlich für Leiden, Tod und Schmerz. Mit ihren Verführungskünsten haben die Frauen es darauf abgesehen, den Mann in sein Verderben zu stürzen.
Die Sorge, ja schon fast Angst, vor der weiblichen Emanzipation, wird in der Kunst aufgegriffen und endet mit der Schwächung des Mannes. So thematisiert Max Liebermann „Simson und Delila“ und zeigt die Frau, die den Mann erst verführt und dann geschwächt hat. Edvard Munch zeigt Frauen von denen stets eine dunkle Macht auszugehen scheint. Der Mann ist der sexuellen Anziehungskraft der Frau ausgeliefert. Das weibliche Wesen wird zunehmend zur Femme Fatale.
Frauen beginnen sich an männlichen Verhaltensmustern zu orientieren, was sich nicht nur an der Kleidung widerspiegelt. Auch das Neutrum gewinnt als Geschlecht an Bedeutung. Marcel Duchamp spielt mit der weiblichen und männlichen Identität und erschafft einen provokanten Charakter: Er versieht eine Abbildung der Mona Lisa mit einem Kinn- und Schnurrbart, einem Symbol bürgerlicher Maskulinität. Nicht nur ihm geht es um die Überwindung von Geschlechtergrenzen, auch Lee Miller oder Claude Cahun beschäftigen sich mit dem neutralen Geschlecht.
Die Surrealisten streben die Überwindung der Geschlechter an. Von besonderem Interesse für sie ist dabei die Figur des Androgynen, einem Zwitterwesen mit männlichen und weiblichen Geschlechtermerkmalen. Diese Figur symbolisiert für sie die Überschreitung von Geschlechtergrenzen als auch die Synthese geschlechtlicher Unterschiede. Mit dem Ziel, das Unbewusste künstlerisch zu erschließen, versuchen die Surrealisten, die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit durch das Sprengen normativer Schranken aufzuheben.
Dennoch bleibt die Wahrnehmung der Geschlechter zweigespalten. Künstlerinnen vermitteln ein völlig anderes Bild als Männer zu diesem Thema. Männer beginnen ab den 1930er Jahren mit der Idealisierung der Frau und erheben sie zu einem übermenschlichen, rätselhaften Wesen. Frauen, hier sei Frida Kahlo als Beispiel genannt, behandeln die emotionale Verletzung und zeigen sich verletzlich und verwundbar.
>>Der Kampf der Geschlechter ist noch lange nicht beendet. Frauen und Männer sind noch lange nicht gleichberechtigt.
Die Ausstellung steckt die Thematik des Geschlechterkampfes von seinen Anfängen bis in die Gegenwart ab und das mit sorgfältig ausgewählten Exponaten aus der Sammlung des Museums oder Leihgaben - doch dabei bleibt es dann leider auch. Am Ende der Ausstellung bleibt mir als Frau das Gefühl, dass sich unser Stellenwert in der Gesellschaft nicht besonders verbessert hat und dass noch heute Frauen auf besonders weibliche Körpermerkmale reduziert werden - was doch auch schon das ausgewählte Werbebild für die Ausstellung von Alfred Mosa deutlich wird...
Geschlechterkampf. Von Franz von Stuck bis Frida Kahlo
24. November 2016bis 19. März 2017
Städel Museum Frankfurt
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