Willem de Rooij – Entitled
- Jacqueline Jakobi
- 13. Okt. 2016
- 3 Min. Lesezeit
Beim Betreten der Ausstellung erwartet den Betrachter zunächst ein freundlicher Empfang: ein großes, weißes Blumenbouquet aus weißen frischen Blumen. In einem anderen Kontext würde man dies für schön befinden, aber in einer Ausstellung regt es doch mehr zum Nachdenken an und ein jeder hat seine ganz eigene Konnotation zu dem Blumenbouquet und das ist es, was der Niederländer Willem de Rooij zu erreichen versucht: reizvolle und herausfordernde Kontextverschiebungen.
Geht man weiter erblickt man Bouquet IV., ein Blumenensemble aus Pastelltönen. Dazu gehört auch eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die die Blumen als Komposition zeigt und nicht im gleichen Raum hängt. Zahlreiche Blumen wurden dazu einzeln fotografiert und anschließend für das Bouquet nur jene ausgewählt, die nicht zu dunkel oder zu hell waren – ein Symbol für den Mainstream? Ein drittes Blumenarrangement besteht aus ganz bunten, exotischen Blumen und beschreibt Individuen.
Die frischen Blumen werden regelmäßig durch neue Blumen ersetzt – ohne die Ausstellung würden die Bouquets auch gar nicht existieren.
Es scheint, als verweise der Künstler auf den ökonomischen Hintergrund der holländischen Blumengroßmärkte, wenn täglich mehrere Blumen unabhängig von den Jahreszeiten aus der gesamten Welt umgesetzt werden. Oder rufen sie Assoziationen mit der Stillleben-Malerei hervor, die im 17. Jahrhundert in den Niederlanden zur Blüte gelangte?
De Rooij geht den Fragen nach Repräsentation und deren Kontext nach. So zeigt er beispielsweise auch monochrome Orangetöne, die in dem Betrachter unterschiedliche Assoziationen hervorrufen: Sie können an die Kleidung der Häftlinge in Guantánamo erinnern, aber auch tendenziell an die Niederlande, der Heimat des Künstlers. Doch hängt die Verbindung mit den Niederlanden eben nicht auch mit de Rooijs Nationalität zusammen? Hätte man, wäre es beispielsweise Buddhist, andere Assoziationen mit der Farbe? De Rooij zeigt auf: Ohne Zusammenhang repräsentiert Farbe alles und nichts. Der Künstler analysiert die Möglichkeit von Bildern, soziale Interessen zu transportieren.
Über die gesamte Ausstellungsfläche sind außerdem schwarze, gesichtslose Schaufensterpuppen verteilt. Zum Teil tragen sie Freizeitkleidung: gemusterte Fleecejacken, Kleidung aus den 1980er, 1990er Jahre – so out, dass sie schon wieder hip sein kann. Die Muster der Kleidung sind an kaukasische Teppiche und Navajo-Decken angelehnt. Andere wirken indigen. Die Kleidung stammt vom Label Fong Leng, einer niederländisch-chinesischen Designerin, die von der Produktion extravaganter Modelle auf die Herstellung von Massenware umgestiegen war, die sich in ihren Modelabels mit kulturellen Referenzen befasst. De Rooij hat die Kleidung seit über 10 Jahren gesammelt.
Eine weitere Werkgruppe sind die seit 2009 produzierten „weavings“. Es handelt sich um handgewebte Bilder, deren Struktur durch die Verläufe und minimalen Strukturen entstehen. Es entstehen komplexe Gewebestrukturen und verschiedene Schattierungen in die man sich verlieren kann. Die Titel dieser Arbeiten haben oft die Form eines Anagrammes. Somit wird die Struktur des Gewebes und die Kreuzung der Fäden aufgegriffen und ist ein Ausgangspunkt de Rooijs Untersuchung von Kontrast und Übergang.
Wieder eine andere Werkgruppe umfasst rund 500 Bilder von verschiedenen Geschehnissen zwischen 2000 und 2002, die Willem de Rooij aus internationalen Tageszeitungen ausschnitt. Die vielen Zeitungsausschnitte fordern den Betrachter auf, genau hinzusehen und die Details zu studieren. Dieses Archiv aus sozialen Aufständen kann wie eine Studie gelesen werden, die aufzuzeigen versucht, was die Demonstranten erreichen wollen und was Fotografen und Editoren schließlich daraus gemacht haben. Diese Arbeitet läutet aber auch die Endphase der Printmedien ein und zeigt die Ära digitaler Produktionen.
Seine filmische Dokumentation über Drogen- und Suchtabhängige lässt den Zuschauer die Rolle des Voyeurs einnehmen und zeigt eine andere Form der Dokumentation auf.
>> Eine lohnenswerte Ausstellung, die die reizvollen und herausfordernde Kontextverschiebungen de Rooijs thematisiert und an Hand mehrer Beispiele aufzeigt. Die Ausstellung regt zum Nachdenken an und dazu, sich mit de Rooijs Arbeiten weiter auseinandersetzen zu wollen.
Willem de Rooij – Entitled
14. Oktober 2016 – 8. Januar 2017
MMK2 - Museum für Moderne Kunst Frankfurt




